Schutzkonzept (Stand September 2017)
Unser Schutzkonzept im Kinderhaus
Das vorliegende Schutzkonzept soll das Recht auf eine gewaltfreie Umgebung in einem institutionellen geschützten Rahmen für alle Kinder, die das Kinderhaus Kaiserswerth besuchen, sicherstellen.
Unsere staatlich anerkannten ErzieherInnen und MitarbeiterInnen haben den Auftrag und den Anspruch, die ihnen anvertrauten Kinder in besonderem Maße vor Vernachlässigung, Gewalt und Übergriffen zu schützen. Das Kinderhaus Kaiserswerth ist ein sicherer Raum, der Kindern Freiräume in ihrer altersgemäßen Entwicklung lässt und auch Auffälligkeiten und deren mögliche Ursachen nicht ignoriert. Alle MitarbeiterInnen einschließlich der Eltern, die aushelfen, tragen dazu bei, diese Atmosphäre herzustellen.
Grundsätzliches
„Kindeswohl“ ist ein so genannter unbestimmter Rechtsbegriff und als solcher nicht eindeutig definiert, sondern auslegungsbedürftig. Das BGB bezeichnet es als Kindeswohlgefährdung, wenn das geistige, körperliche oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind – und nur dann! – ist der Staat berechtigt, in das Recht der elterlichen Sorge einzugreifen, um das Wohl des Kindes sicherzustellen.
Als Kindeswohl gefährdende Erscheinungsformen lassen sich grundsätzlich unterscheiden:
- körperliche und seelische Vernachlässigung
- seelische und körperliche Misshandlung und
- sexuelle Gewalt.
Anhaltspunkte von Gefährdungssituationen sind für MitarbeiterInnen von Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen ggf. im Erleben und Handeln des Kindes/Jugendlichen zu finden und können sich in:
- der äußeren Erscheinung des Kindes,
- dem Verhalten des Kindes,
- dem Verhalten der Erziehungspersonen der häuslichen Gemeinschaft,
- der familiären Situation,
- der persönlichen Situation der Erziehungspersonen der häuslichen Gemeinschaft,
- sowie der Wohnsituation zeigen.
Form und Ausmaß von Gefährdungslagen können sehr unterschiedlich sein. Auf akute Gefährdungssituationen mit unmittelbarer Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit muss anderes reagiert werden als auf chronische Defizite oder Störungen in der Beziehung oder Pflege.
Die Einschätzung von Gefährdungssituationen muss immer auf den Einzelfall bezogen sein und insbesondere das Alter des Kindes, sowie Entwicklungsstand und -bedarf berücksichtigen.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird eine Kindeswohlgefährdung definiert als „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“.
Verfahrensweise
Schritt 1:
Gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen (und von anderen pädagogischen Problemen unterscheiden) und dies dokumentieren
Als ErzieherInnen und MitarbeiterInnen des Kinderhauses Kaiserswerth, die mit Schutzbefohlenen arbeiten, sind wir verpflichtet (Vereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach §8a SGB VIII), bewusst auf eventuelle Anhaltspunkte zu achten, die eine Kindeswohlgefährdung vermuten lassen. (siehe Arbeitshilfe „Kinderschutz“ in Kindertageseinrichtungen, I., Schritt 1) Alle Situationen werden mit Datum und kurzer Situationsbeschreibung dokumentiert.
Schritt 2:
Austausch im Team mit der Leitung
Jeder Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Kinderhaus Kaiserswerth wird der Leitung umgehend mitgeteilt. Daraufhin tauscht sich das Team aus, um die persönlichen Wahrnehmungen gemeinsam zu überprüfen. Die Leitung steht dazu außerdem im regelmäßigen Austausch mit der/dem ersten Vorsitzenden des Vorstands des Kinderhaus Kaiserswerth e.V.
Schritt 3:
Einschalten der insoweit erfahrenen Fachkraft
Nach eingehenden dokumentierten Beobachtungen und dem Austausch im Team wird von der Leitung eine externe Fachkraft für Kindeswohlgefährdung informiert.
Schritt 4:
Gemeinsame Risikoabschätzung
Die zugezogene insoweit erfahrene Fachkraft nimmt auf Grund der von uns niedergelegten Dokumentation und Schilderungen mit uns eine gemeinsame Problemdefinition und Risikoabschätzung vor und prüft, ob und wie der Gefährdung im Rahmen der trägereigenen Ressourcen wirksam begegnet werden kann oder ob eine Inanspruchnahme anderer geeigneter Hilfen durch die Sorgeberechtigten notwendig erscheint. Außerdem gilt es zunächst zu bewerten, ob eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Kindes besteht und welche Maßnahmen zum sofortigen Schutz des Kindes notwendig sind. Dabei wird ein interner Zeitplan aufgestellt, wie der Prozess gestaltet werden soll, um mit den Eltern die festgestellten Probleme zu besprechen und auf ihre Behebung hinzuwirken.
Schritt 5:
Gespräch mit den Eltern/Sorgeberechtigten
Der erarbeitete Beratungsplan bildet die Grundlage für ein Gespräch mit den Eltern/Sorgeberechtigten. Das Kind wird in altersgerechter Weise einbezogen. In diesem Gespräch wird die Familie über die Gefährdungseinschätzung durch die Kita informiert und bei ihr auf die Inanspruchnahme von Hilfen hingewirkt.
Schritt 6:
Aufstellen eines Beratungs- und/oder Hilfeplans
Ziel des Gespräches ist, gemeinsam mit den Eltern oder Sorgeberechtigten verbindliche Absprachen über einen erforderlichen konkreten Veränderungsbedarf und hierbei hilfreiche Beratungs- und/oder Unterstützungssysteme bzw. -möglichkeiten zu entwickeln. Diese sind mit einer klaren Zeitstruktur zu hinterlegen.
Schritt 7:
Überprüfung der Zielvereinbarung
Es gilt trotz erfolgreicher Vermittlung der angebotenen Hilfe weiter darauf zu achten, ob sich positive Entwicklungen erkennen lassen und die ursprünglich zum Handeln Anlass gegebenen Situationen nicht mehr – oder nicht mehr in dieser Intensität (Risiko) – auftreten.
Dazu muss kontinuierlich dokumentiert werden.
Schritt 8:
Gegebenenfalls erneute Risikoabschätzung
Sollte sich die Situation nicht nachhaltig gebessert haben, ist eine erneute Risikoabschätzung unter Hinzuziehung der insoweit erfahrenen Fachkraft nötig. Möglicherweise führt die Einschätzung zu einer Wiederholung von Schritt 4 bis 8. Ansonsten führt sie höchstwahrscheinlich zu Schritt 9.
Schritt 9:
Gegebenenfalls Inanspruchnahme des ASD vorbereiten
In der Regel wird es vernünftig sein, die Sorgeberechtigten an dieser Stelle zu informieren, dass jetzt ein Kontakt zum Allgemeinen Sozialen Dienst bzw. Jugendamt die richtige Lösung sei, um den Prozess von Hilfe und Kontrolle auf breitere Füße zu stellen.
Schritt 10:
Information und Einschaltung des ASD
Sollten die Elter/Sorgeberechtigten den Kontakt zum Jugendamt ablehnen, muss die Einrichtung das Jugendamt informieren, um eine Gefährdung abzuwenden. Über diesen Schritt sind die Eltern zu informieren.
Das Jugendamt sollte dann die Einrichtung über sein weiteres Vorgehen informieren und mit ihr in fachlichem Austausch über die weitere Entwicklung des Kindes bleiben.
Die Praxis
Damit das Kinderhaus ein sicherer Ort für Kinder ist, ist es wichtig, sich seiner Rolle als BetreuerInnen, ErsthelferInnen, ErzieherInnen, WindelwicklerInnen, SpielpartnerIn/-kameradIn, VertrauteR, TrösterIn usw. bewusst zu sein.
Hier müssen wir uns mit verschiedenen Fragen auseinandersetzen:
- Wie gehe ich mit Nähe und Distanz um, mit Grenzsetzung, Körperkontakt und Privatsphäre?
- Wie können wir den Kinderhausalltag so gestalten, dass die uns anvertrauten Kinder, Nähe und Distanz erfahren und die ihnen zustehenden nötigen altersgerechten Freiräume haben, ohne dass wir riskieren, ihr Kindeswohl zu gefährden?
- Wie stellen wir sicher, dass sich alle Eltern und Angehörigen, unseres Schutzkonzeptes bewusst sind und es gegebenenfalls mit uns umsetzen (Aushelfen bei Kinderbetreuung, z.B. Betreuung in Großteamsitzungen, Benutzung des Wickelraumes für das eigene Kind)?
- Wie garantieren wir, dass alle auf dem neuesten Stand der Entwicklungen und Gesetzeslage sind?
Wichtig ist hierbei vor allem, sich bestimmter Situationen bewusst zu sein, in denen wir besonders beobachten und reflektieren müssen (so z.B. das Wickeln, Schlafen legen, An-und Ausziehen, Begleitung beim Toilettengang, Kuscheleinheiten nach dem Schlafen usw.).
Dazu finden regelmäßige Austauschrunden in Kleinteam-/Großteamsitzungen statt, in denen das Fachpersonal die eigene Grundhaltung (siehe auch Konzeptpunkt Partizipation) zu diesem Thema überdenkt und dokumentiert und versucht wird, das persönliche Verständnis von Macht und Machtmissbrauch zu hinterfragen und den Umgang damit zu vereinheitlichen. Zusätzlich finden regelmäßig Weiterbildungen zum Thema statt, in denen u.a. ExpertenInnen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband das Team über neueste Entwicklungen und Ansätze zum Thema „Kindeswohl“ informiert.
Eltern, die im Kinderhaus aushelfen möchten, müssen ein aktuelles Führungszeugnis vorlegen, das alle fünf Jahre erneuert werden muss.
Beispiele aus dem Alltag
Uns ist es wichtig, im Alltag eine Vertrauensbasis zu schaffen: mit Körpersprache, offenen Fragen, positiven Erlebnissen und bejahenden Alltagsstrukturen, damit Kinder authentisch ihren Alltag im Kinderhaus leben können.
Es gibt feste Regeln im Tagesablauf, damit ein wertschätzender Umgang miteinander stattfinden kann; zu diesen Regeln gehört auch das Grenzen setzen.
Wenn ein Kind sich ungefragt auf den Schoß einer ErzieherInnen setzt, weisen wir es freundlich aber bestimmt ab: Das Kind darf gerne fragen, ob es auf den Schoß darf, muss aber eine Antwort abwarten.
Dass Kind erfährt dadurch, dass auch Erwachsene Grenzen haben und nicht beliebig „benutzt“ werden können. („Ich bin doch kein Sofa.“)
Wir verlangen von den Kindern keinen Körperkontakt (in Alltagssituationen wo es nicht nötig ist). Das Kind darf immer selbst entscheiden, ob es z.B. gedrückt werden möchte, wenn es sich weh getan hat.
Bevor wir ein Kind von uns aus berühren (Nase putzen; trösten; Ortswechsel, weil das Kind nicht vom Platz weicht) sagen wir, was passieren wird: z.B. „Darf ich dir die Nase putzen?“, „Darf ich dir beim Anziehen helfen?" oder bei jüngeren Kindern: „Ich werde dich jetzt anziehen.“, „Wenn du jetzt nicht weitergehst, werde ich dich hochheben und tragen.“, „Ich sehe du bist traurig, darf ich dich drücken?“
Das Kind fühlt sich ernstgenommen und hat Entscheidungsfreiheit.
Wir versuchen den Kindern einen sicheren Rahmen beim Wickeln zu bieten, keine unnötigen und ungewollten ZuschauerInnen zuzulassen; nur Personen, die eine Beziehung zu den Kindern im Alltag pflegen, dürfen das Kind wickeln. Blockpraktikanten, die nur für kurze Zeit im Kinderhaus arbeiten, dürfen die Kinder nicht wickeln, auch nicht Eltern, die gelegentlich als „Helfer“ tätig sind. Überdies dürfen die Kinder Personen beim Wickeln ablehnen; das Kind wird in seiner Entscheidung ernstgenommen.
Auch bei der Begleitung zum Toilettengang versuchen wir die Privatsphäre des Kindes zu schützen, indem nicht einfach irgendwer die Toilette betritt (die Regel gilt für andere Kinder und Erwachsene); die Tür der Toilette bleibt geschlossen.
Nur bei ausdrücklicher Bitte wischen wir den Kindern (4 – 6 Jahre) den Po ab. Generell versuchen wir die Kinder verbal vor verschlossener Toilettentür zu unterstützen.
Das Kind merkt, dass es selbstverantwortlich für seine Körperhygiene ist.
Wir achten darauf, dass die Kinder „richtig“ angezogen sind und sich nicht nur in Strumpfhose durch die Einrichtung bewegen.
Das Kind entwickelt ein Gefühl dafür, in Gesellschaft konform gekleidet zu sein.
Wir bieten den Kindern Rückzugsmöglichkeiten ohne stetige Kontrolle.
Das Kind erlebt Freiheit und Privatsphäre! (natürlich muss man trotzdem seiner Aufsichtspflicht nachkommen und gerade den jüngeren Kindern signalisieren, dass man immer da ist um zu helfen)
Wir achten darauf, dass auch die Kinder untereinander ihre Grenzen und Privatsphäre einhalten und respektieren, indem wir jüngere Kinder unterstützen, ihre Körpersprache zu deuten und diese dem anderen Kind verbal verständlich zu machen oder indem wir ältere Kinder unterstützen, klar und deutlich ihre Meinung zu vertreten, z.B. darf kein Kind einfach so ein anderes Kind küssen, drücken oder körperlich bedrängen.
Wir MitarbeiterInnen des Kinderhaus Kaiserswerth möchten allen Kindern einen sicheren Rahmen zum Entwickeln und Entfalten bieten. Damit alle Kinder die Chance haben, sich zu selbstbewussten und eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln, die sich des Rechts auf eine eigene Meinung bewusst sind und es vertreten können.
Das Schutzkonzept stellt dabei nur einen Teil unserer täglichen Arbeit mit Kindern dar, der regelmäßig überdacht/ergänzt/erneuert werden muss. Dazu müssen wir vor allem bereit sein, regelmäßig im Alltag zu reflektieren. Das sind wir, zum Wohl unserer Kinder!